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Von Menschen – Für Menschen

In dieser Rubrik stehen die Nutzer*innen und ihre Erzählungen über das Leben in der Stiftung im Mittelpunkt. Sei es eine besonders interessante Vergangenheit, eine tiefe Freundschaft oder einfach eine Geschichte über den Alltag in der Stiftung – Es sind die Menschen, die auf vielfältige Art und Weise zu Wort kommen und so der Stiftung ein Gesicht geben, das so bunt ist wie das Leben.

Ingrid Konradt: „Immer selbst die Initiative ergreifen“

Ingrid Konradt

Ingrid Konradt (88) ist Bewohnerbeirätin und wohnt im Haus Günsbach. Sie ist gerne aktiv und nutzt die Freizeitangebote der Stiftung. Für ihre strahlend blauen Augen bekommt sie heute noch Komplimente, erwähnt sie stolz schmunzelnd, als sie von sich und ihrem Leben in der Stiftung zu erzählt. 

Ingrid Konradt ist 1935 geboren, lebte in Anklam und Rostock. Als Kind erlebte sie den Krieg bewusst mit: „Wir verbrachten mehr Zeit im Keller, als auf der Straße. Als wir vor den Russen flüchteten, wurden wir ständig beschossen. Ich erinnere mich genau daran, wie wir uns ganz dicht an Baumstämme stellten, wenn ein Stuka-Flugzeug kam und uns direkt ins Visier nahm. Und an das Geräusch, wenn die Bombengeschwader über uns flogen. Das war so ein Brummen und Vibrieren. In all diesen Momenten hatte ich furchtbare Angst“, so die 88-jährige.

Ingrid Konradt Einschulung        Die junge Ingrid Konradt      Hochzeit Ingrid Konradt

Mit 16 lernte sie beim Tanzen ihren Mann kennen. „Er war auch noch an einem anderen Mädel dran, aber das hat zum Glück nicht geklappt. Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Als ich mit 18 schwanger wurde, mussten wir schnell heiraten“, erzählt Frau Konradt weiter. Sie bekam noch zwei weitere Kinder und hat dann bis zu Wende als Berufsberaterin gearbeitet. Danach wurden sie und ihr Mann arbeitslos, er starb mit 69 Jahren. Ihre große Leidenschaft war neben dem Singen in einem Chor das Reisen.

Ingrid Konradt Urlaub

Seit 2020 lebt sie in der Stiftung am Standort Blankenburg. Wie es dazu kam und wie es ihr heute geht, erzählt sie uns:

Warum sind Sie nach Berlin und schließlich in die Stiftung gezogen?

„Ich brauchte mehr Hilfe und meine Tochter wollte deshalb, dass ich zu ihr ziehe. Nachdem ich mehrere Wirbelbrüche hatte, haben wir uns für eine Unterbringung in der Stiftung entschieden, weil die Eltern von meinem Schwiegersohn schon hier untergebracht waren und mit der Betreuung sehr zufrieden waren.“

Das war bestimmt eine große Umstellung…

„Anfangs war es sehr schwer, da ich ein sehr selbstständiger Mensch bin und auch meine Heimat sehr vermisse. Wir haben einmal einen Ausflug nach Warnemünde gemacht. Das war wundervoll. Aber es ist beruhigend, dass nachts jemand nach mir sieht und ich freue mich auch darüber, dass sich hier mein Zustand sehr verbessert hat und ich wieder laufen kann. Und die Mitarbeiter*innen sind sehr nett und gehen auf meine Wünsche ein.“

Wie verbringen Sie Ihre Zeit in der Stiftung?

„Ich kann nicht einfach so rumsitzen und habe mich jetzt für den Bewohnerbeirat wählen lassen. Ich bin mit den anderen Bewohner*innen gut vertraut, mache Sparziergänge, stricke und backe gerne, spiele Tischkegeln oder ähnliches. Ich bin lieber mit weiblichen Bewohnerinnen zusammen, die lassen sich nicht so gehen wie die Männer, aber einen habe ich mir erzogen (lacht).“

Wie schmeckt Ihnen das Essen?

„Es gibt da nichts zu klagen. Wir waren jetzt allerdings mit der Küche im Gespräch darüber, dass das Abendessen vielfältiger sein könnte. Immerhin gibt es jetzt öfter auch Fisch, dass lag mir mit meiner Herkunft natürlich besonders am Herzen.“

Und dann kam auch noch Corona….

„Ich war ja eine der ersten in der Stiftung, die sich angesteckt hatte. Mir ging es so schlecht, dass meine Tochter schon die ganze Familie zusammengetrommelt hatte. Aber ich wollte wohl noch nicht sterben.“

Apropos Familie: Wie ist ihr Verhältnis heute?

„Ich habe fünf Enkel und vier Urenkel. Meine Tochter besucht mich zweimal die Woche, meine Söhne rufen jeden Tag an. Wir sind uns sehr nah und besprechen alles miteinander. Und ich habe ein I-Phone, damit bekomme ich jede Menge mit.“

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie jetzt auf Ihr Leben zurückblicken und haben Sie ein Lebensmotto?

„Ich hatte ein gutes Leben. Zum Glück bin ich ein sehr optimistischer Mensch. Ich konnte mich immer gut durchsetzen, wenn ich ein Ziel hatte. Mein Lebensmotto könnte dementsprechend sein, immer selbst die Initiative zu ergreifen und nicht warten, bis andere kommen. Das hat mein Leben lang immer gut funktioniert und deshalb bin ich jetzt auch im Bewohnerbeirat.“