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„Am Ende des Tages muss ich zufrieden nach Hause gehen und sagen können, dass das, was ich gemacht habe, gut war“.

Ilona Kolbe

Ilona Kolbe, examinierte Krankenschwester und Diplom-Pflegewirtin leitet seit 2001 den Fachbereich Angebote  für Menschen mit Pflegebedarf. Zum Anlass des 25-jährigen Stiftungsjubiläums erinnert sie sich zurück und wirft einen Blick in die Zukunft.

Frau Kolbe, wie waren Ihre ganz persönlichen Anfänge und ersten Eindrücke in der Stiftung?

Kolbe: Ich hatte vor 40 Jahren als Praktikantin erstmalig Kontakt zum damaligen Krankenpflegeheim „Albert Schweitzer“. Es war mein erstes Praktikum und ich weiß noch ganz genau, dass ich nur wegwollte. Die Zustände waren erschreckend. Die schlechte Ausstattung, die vielen Bewohner*innen in einem Zimmer, die wenigen Mitarbeiter*innen, die für alles verantwortlich waren. Ich habe in den Jahren gelernt, anzupacken und nach vorne zu schauen, denn nur so kann etwas verändert werden. Nach der Beendigung des Fachschulstudiums übernahm ich sehr schnell die Leitung eines Hauses mit 76 Bewohner*innen und ich habe genau diese Philosophie mit meinen Mitarbeiter*innen gelebt. Der Zusammenhalt hat mich – trotz aller Widrigkeiten – von Anfang an beeindruckt und geprägt. Und tatsächlich haben sich die Bedingungen sehr verbessert, insbesondere seit der Stiftungsgründung vor 25 Jahren.

Frau Kolbe zu Beginn in der Stiftung

Wie erging es Ihnen weiter bei Ihrer Tätigkeit an diesem Standort?

Kolbe: ganz besonders ist mir in Erinnerung geblieben, dass wir Mitte der 80er Jahre einen kleinen Bereich für Menschen mit Beeinträchtigungen aufgebaut haben. Das war zunächst im heutigen Haus Aspen, später zogen wir dann in das Haus 1, der heutige Standort des Netto Discounters. Diese Form der Betreuung war zu der Zeit sehr fortschrittlich, wir galten als Exoten. Wir hatten 12 Plätze geschaffen und betreuten und förderten dort sehr junge Menschen mit starken körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Schon der Weg hierher war sehr mühsam. Unsere jungen Bewohner*innen befanden sich bis zur Bildung dieser speziellen Wohneinheit in Altenpflegebereichen und vegetierten dort mehr oder weniger vor sich hin. Wir waren eine Gruppe junger Optimisten, die wirklich etwas bewirken wollten und dies auch taten. Als es um die Verteidigung des Titels „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ ging (den gab es in regelmäßigen Abständen und er war mit einer stattlichen Teamprämie versehen) und ich als Leiterin dieses Wohnbereiches in meinem Rechenschaftsbericht über die kleinen, für Außenstehende vielleicht unbedeutsamen, für uns jedoch riesigen Fortschritte bei unseren Bewohner*innen berichtete („Enrico kann die Tasse selbstständig halten und trinkt jetzt allein“), wurde ich zunächst belächelt.  Den Titel sollten wir anfänglich nicht bekommen, weil die deutsch-sowjetischen Aktivitäten in meinem Bericht fehlten. Ich habe dann zähneknirschend nachgebessert und verkündet, dass wir im Team Soljanka gekocht und gegessen haben. Das fand ich sehr kurios.

Seitdem hat sich zum Glück viel getan. Wenn Sie in die Gegenwart schauen, was unterscheidet die Stiftung von anderen Unternehmen und was ist das Besondere an der Stiftung?

Kolbe: Der Name Albert Schweitzer verpflichtet. Das klingt vielleicht ein bisschen antiquiert, hat aber für mich eine Bedeutung. Wie sehr sich die Angebote und die Qualität der Pflege und Betreuung entwickelt haben, kann ich gut beurteilen, weil ich andere Zeiten kenne. Zwischen der Pflege von damals und heute liegen gefühlte 100 Jahre Entwicklung. Ich finde aber auch das Zusammenleben der drei unterschiedlichen Fachbereiche sehr einzigartig, das macht die Stiftung zu etwas Besonderem.

Frau Kolbe bei einer Rede

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch der ambulante Pflegedienst, den wir 2009 unter meiner Leitung gegründet haben, ist etwas, auf das ich sehr stolz bin. Dieses Angebot ergänzt das pflegerische Spektrum und schafft zusätzliche Synergien. Die ambulant betreute Wohngemeinschaft „Schäferstege“ ist ebenfalls ein tolles Angebot, das ich nicht missen möchte. Außerdem fasziniert mich die Eigenständigkeit unseres Bereiches. Es gibt Budgets, die vieles erlauben und Selbstständigkeit fördern. Das gibt auch den Mitarbeiter*innen die Möglichkeit der Partizipation und Gestaltungsfreiheit. Wenn ich mir nur das kulturelle Angebot des Bereiches anschaue, die Ausflüge, Reisen (und da schauen wir auf eine lange Tradition zurück), Konzerte, Tanzveranstaltungen und vieles mehr, dann denke ich, dass genauso das Leben im Alter sein sollte.

Was zeichnet Ihren Fachbereich für Pflegebedarf aus? Wie wichtig sind hier auch die Mitarbeiter*innen?

Kolbe: Die Pflege lebt von ihren Mitarbeiter*innen. Und da meine ich ganz besonders die, die nicht lange klagen, sondern machen. Wir haben in unserem Bereich wunderbare Mitarbeiter*innen, die hervorragende Arbeit leisten. Der gute Ruf und die hohe Belegung sprechen für sich. Natürlich auch die zufriedenen und dankbaren Bewohner*innen und Kund*innen, was gibt es Schöneres! Das allein ist für viele eine ganz besondere Motivation. Immer wieder spüre ich dieses gewisse Etwas bei unseren Mitarbeiter*innen, die Tatkraft und Freude, für andere da zu sein. Die Ausbildung von examinierten Altenpfleger*innen und Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern ist ebenfalls ein Erfolg, der mich persönlich sehr glücklich stimmt. Und ich bewundere dabei sehr, mit welcher Hingabe und mit wieviel Herzblut unsere Mitarbeiter*innen den Auszubildenden den Beruf der Pflege vermitteln. Ich bin sehr stolz auf unseren Bereich und ich hoffe, dass der gute Geist noch lange bleiben wird.

Frau Kolbe mit Frau Neumann

Was macht Ihnen ganz persönlich Freude bei Ihrer Arbeit?

Kolbe: Der Umgang mit den Menschen und in meiner Position ganz besonders die Zusammenarbeit mit meinen Kolleg*innen, bereitet mir im Alltag viel Freude. Meine große Stärke ist es, Menschen zu motivieren, sie für etwas zu begeistern und ihnen zu vermitteln, ein wichtiger Teil des großen Ganzen zu sein. Auch die Augenblicke mit den Bewohner*innen sind für mich persönliche Highlights, sie bestätigen mich in meiner Arbeit.

Frau Kolbe mit Maske

Das Meistern von Herausforderungen – und davon gibt mehr als genug, das Geben und Nehmen, das Auffangen, wenn etwas mal nicht so gut läuft, sind Momente, für die ich sehr gerne zur Arbeit komme. Ich gebe oft positives Feedback, freue mich aber auch über eben solches. Ganz besonders, wenn Bewohner*innen sagen, dass sie sich bei uns sehr gut betreut fühlen und ein neues Zuhause gefunden haben. Das betrifft auch die Kund*innen unseres ambulanten Pflegedienstes. Am Ende des Tages muss ich zufrieden nach Hause gehen und sagen können, dass das, was ich gemacht habe, gut war.

Wo sehen Sie zukünftige Herausforderungen für die Stiftung/Ihren Fachbereich?

Kolbe: Der Fachkräftemangel schreitet stetig voran und hat uns hier in der Stiftung längst eingeholt. Es gilt innovative Konzepte zu entwickeln. Im Kopf sind diese bereits vorhanden, aber politisch müssen sie auch gewollt sein. Pflege hat gesamtgesellschaftliche Verantwortung, findet aber nicht die Unterstützung, die sie benötigt. Die Pflegeeinrichtungen sind auf sich gestellt und das, was beschlossen wird, ist halbherzig und in jedem Fall ausbaufähig. Das muss sich ändern.

Für den Standort Blankenburg wünsche ich mir einen Pflege-Neubau. Das Haus Günsbach ist aus meiner Sicht substandardisiert und hat so keine Zukunft. Ich wünsche mir gerade für die Mitarbeiter*innen dieses Hauses eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Lange Flure, Nasszellen und Gemeinschaftsbäder müssen der Vergangenheit angehören. Für den ambulanten Bereich kann ich mir weitere Wohngemeinschaften vorstellen, in denen wir spezielle Betreuungsangebote schaffen.

Ich danke allen Mitarbeiter*innen des Pflegebereiches für ihre unermüdliche und wunderbare Arbeit und grüße sie sehr herzlich!